DEN IM GEISTE VERWANDTEN

HAIKU, TANKA & NORDFRIESISCHE SKIZZENBÜCHER

Die Lyrik hat viel Gemeinsames mit der Malerei. Für beide ist der Ausdruck der lebendigen und flüchtigen Bildlichkeit, die dem geistigen Auge vorschweben, von besonderer Wichtigkeit. Haiku und Tanka sind sehr alte und sehr anschauliche Gedichtformen. Haiku besteht aus 17 Silben in 3 Versen mit je 5-7-5 Silben. Sie entwickelte sich im 16. Jahrhundert aus der Tanka-Form, die 31 Silben ( 5-7-5-7-7 ) in 5 Versen hat.

 

Die deutsche Sprache ist für mich meine erste Fremdsprache, die ich seit einigen Jahren intuitiv zu erlernen versuche . Die Regeln der Haiku-Kunst erlauben mir Bewegung in der Sprache, die ich jetzt lerne. Es sind einige künstlerische Freiheiten, die mir ein Gefühl geben, endlich aus mir heraus sprechen zu dürfen. Man malt mit dem Wort und wird nicht nach strengen Regeln der Grammatik beurteilt, sondern nach die Intensität des vermittelten Bildes...

 

Nordfriesische Skizzenbücher sind einige Hefte, Blätter und Bücher, die sich seit 2001 bei mir im Atelier angesammelt haben. Flüchtige Skizzen, Gedanken und Entwürfe wurden mal ordentlich, mal weniger exakt zusammen gepackt und manchmal für Monate, mal für Jahre in Ruhe gelassen. Sie sind Erinnerungs-, Inspirations- und Informationsquellen. Einige Texte und Skizzen möchte ich auf meiner Internetseite für Freunde, Kollegen und all die anderen, mir im Geiste verwandten Besucher, veröffentlichen.

 

 

 

 

UNTERWEGS

 

              Ins Skizzenbuch schwarz,

              frech übersetzt ein Künstler
              das bunte Leben...

 

 

 

ATELIERANSICHTEN

 

              Staubkörnchen leicht

              durch Sonnenschein getrieben

              sehnt sich nach Ruhe

              auf feuchter Leinwand...

             Ins Illusionnamen Kunst tauchend...

 

 

 

DER BETTLER

 

             Kniend auf der "BILD"

             alter Bettler streichelt Hund,

            der seine Würde hütet

 

 

Nordfriesische Skizzenbücher, Breklum 2015 

 

 

SPAZIERGANG II  "Windkraftpark"

 

Die beflügelte Monsterstöcke

jagen Wolkenfetzen

bis zum Horizont.

Ich höre ihre Wut im Kampf

mit den Nordwind.

 

 

 

SPAZIERGANG III  "Land-Art"

 

Mag der Himmelsdeckel über die blaue Wüste grau sein.

Was soll?! Das melancholische Landschaft liegt schuldlos

 

zu unser Füßen. Nur die flatternde Hosen im Wind,

ein Beweis kreatives Funke des Gastkünstler im Wattenmeer,

 

nicht als Kontrast zu versteinerten Pfannen am Marsch,

sondern Zeichen der Zeitgeistes ist.

 

 

 

Nordfriesische Skizzenbücher, Breklum 2014 




... Wenn ich bekannte Werke von mir hochgeschätzten Künstlern nicht nur betrachte, sondern auch in Verbindung mit ihrem Leben und verschiedenen Lebensphasen bringe, bekomme ich eine Bestätigung der ästhetischen und Psychologischen Ansicht, dass  jeder das als Kunst empfindet, was er liebt, und er das in sein Werk bringt, was seinen Geist bewegt...

 

...Ich hätte gerne gewusst, was der Beweggrund des Künstlers Bruce Nauman für das Schaffen des Werkes "Marching Man" war...

  

 

 

 

 

FOTOKOLLAGE, 2017

KUNSTHALLE HAMBURG, Galerie der Gegenwart,

Werk: Bruce Nauman, *1941, "Marching Man", 1985, Neon (Aus-stellungskopie), erworben 1993.

 

 

Nordfriesische Skizzenbücher, Hamburg,  03. Januar 2017 

 

 

 



MAI - "Husum"

 

Im Windschwung bricht sich 

Licht in tausend Scherben

über der grauen Stadt.

 

FLOHMARKT

 

Mit Straßenstaub bedeckt,

zerstückelte Erinnerungen

warten still auf ihr Schicksal.

 

 

Nordfriesische Skizzenbücher, Breklum 2014



 

 

SPAZIERGANG I "Feldweg"

 

              Auf dem Feldweg liegt

              einer himmelscherbeähnlich
              Kornblumenblüte - leblos.

 

 

Nordfriesische Skizzenbücher, Breklum 2014



Die schöne Kreske

MÄRCHEN ÜBER FÖHRER TRACHT

 

TRACHTANLEGEN

aus der Serie

„Nordfriesische Trachten“

(Detail)

Acryl auf Leinwand

2004, 100 x 80

Vor langer, langer Zeit lebte einmal auf einer der nordfriesischen Inseln die Familie eines alten, von allen sehr geachteten Fischers. Die Familie hatte drei Söhne und eine schöne Tochter mit dem Namen Kreske. Die Kinder wuchsen zu starken und tüchtigen jungen Menschen heran und es kam der Tag, an dem es zu entscheiden galt, welchen Beruf sie ergreifen sollten. So fragte sie denn der Vater, was sie werden wollten.

Der Älteste überlegte nur kurz und sagte: "Du hast mich oft mit aufs Meer genommen. Gerne habe ich Dir geholfen und gelernt, was ein Seemann können muss. Dennoch ist es nichts für mich. Ich will schmieden, die Kunst der Metallverarbeitung lernen, und eine eigene Schmiede besitzen, die die beste in der ganzen Gegend sein soll. Der Vater erkannte, dass dieser Entschluss feststand, und hieß ihn gut.

Der zweite Sohn dachte nach und wandte sich an den Vater: " Auch mich hast Du viele Male mit hinaus aufs Meer genommen, gerne habe ich Dir geholfen und gelernt, was Du mir beibrachtest, aber es ist nicht das, was ich möchte. Ich werde Zimmermann. Ich will mit Holz arbeiten, es in diesem Handwerk zur Meisterschaft bringen, der beste Zimmermann weit und breit sein und die schönsten Möbel hier bei uns fertigen. Der Vater sah, dass er auch hier nichts werde ändern können und gab dem Wunsch, Zimmermann zu werden, seinen Segen. 

Der dritte Sohn wartete nicht lange und begann wie seine Brüder: "Immer wieder hast Du mich mit aufs Meer genommen. Auch ich habe gerne geholfen und gelernt, was ich als Seemann wissen sollte. Doch mein Entschluss steht fest. Ich werde Bäcker. Das beste Brot hier in der Gegend will ich backen. Bitte, gib mir Deinen Segen. Als der Vater erkannte, dass er auch diesen Sohn nicht werde umstimmen können, gab er ihm seinen Segen. Sein Herz aber ergriff tiefe Traurigkeit, als er einsehen musste, dass ihm, dem Fischer, aus seiner Familie keiner nachfolgen würde.

Zu dieser Zeit hatte sich aber schon die Kunde von der Schönheit der einzigen Tochter des alten Fischers verbreitet und die ersten Freier fanden sich ein, und baten um die Hand der schönen Kreske. So konnte die Tochter ihren Vater mit dem Entschluss beruhigen, nur einen Fischer zu heiraten, der ihm nachfolgen könnte. Das aber auch nur dann, wenn sich die Freier auf eine einjährige Reise begäben, zu einem festgelegten Zeitpunkt wieder kämen und der erwählt werden sollte, dessen Hochzeitsgeschenke ihr am besten zusagen würden.

 

Drei Jünglinge erklärten sich bereit, Kreskes Bedingungen zu erfüllen. Sie waren jung, stark, sahen gut aus und waren trotz ihrer Jugend schon erfahrene Seeleute.

Tag um Tag verging das Jahr und bald war der Tag gekommen, der für die Rückkehr bestimmt worden war. Kaum hatte sich die Sonne über dem Horizont erhoben, standen die drei jungen Fischer vor der Tür der Schönen, um ihre Entscheidung zu erbitten. Und jeder kam mit einem Hochzeitsgeschenk.

 

Da bat Kreske den ersten Jüngling, ihr sein Geschenk zu zeigen. Er trat zu seiner Angebeteten und legte wertvolle Pelze seltener Tiere aus fernen Ländern ihr zu Füßen. Sie sah ihn an, sagte aber nichts.

Sodann trat der zweite Freier vor sie und stellte seinerseits eine Schatulle mit wertvollen Perlen zu ihren Füßen. Kreske sah ihn an, sagte aber nichts.

 

Der dritte Freier ging auf sie zu und stelle eine schlichte, hölzerne Truhe zu ihren Füßen ab und sprach: "Viele Länder habe ich bereist und lange nach einem Hochzeits-geschenk für dich gesucht, aber nichts fand ich geeigneter als das, was in dieser Truhe liegt."

Er öffnete die Truhe und entnahm ihr wunderschöne, edle Stoffe, bestickte Bänder und silbernen Schmuck. Er reichte Kreske den ersten Stoff und fügte hinzu: "Dieser schwarzblaue Stoff wurde mit Liebe in unserer Heimat gewebt. In ihm findest du die Schwärze des tiefen Meeres und das dunkle Blau des nächtlichen Himmels." Danach gab er ihr einen zweiten Stoff mit den Worten: "Dieser schneeweiße, halb durchsichtige Stoff ist leicht wie der Morgennebel über den Feldern unserer friesischen Heimat hier im Norden und wie der Schaum am Saum des Meeres." Sodann entnahm er der Truhe dunkle, mit bunten Feldblumen und grünen Gräsern bestickte Bänder und gab sie ihr. Wie bunte Tupfen fügten sie sich zu den schwarzblauen und weißen Stoffen. Zum Schluss reichte er wunderschönen, aus Silber gearbeiteten, schweren aber auch filigranen Schmuck, Schließen und Anhänger, die an die reifen Früchte des Herbstes erinnerten. Dann trat er zur Seite, ihre Entscheidung erwartend.

Die Schöne betrachtete noch einmal die Geschenke und bat die drei Fischer, in drei Tagen wieder zu ihr zu kommen.

Als die drei Tage vergangen waren, öffnete der Vater der Schönen fröhlich die Türen seines Hauses und bat die drei Jünglinge an eine festliche Tafel.

Kurz darauf trat die schöne Kreske zu ihren Gästen in einer blau-schwarzen Tracht mit schneeweißer Schürze, die von einer silbernen Schließe gehalten wurde. Ihre langen, blonden Zöpfe waren kunstvoll geschlungen und das haubengleich gefaltete Kopftuch mit bunten Bändern verziert. Die kostbaren Silberarbeiten hatte sie zu einem wunderbaren Brustschmuck gefügt.

Die kostbaren Pelze seltener Tiere aus fernen Ländern legte sie vor dem ersten Freier nieder und stellte vor den zweiten die Schatulle mit den kostbaren Perlen und sprach zu ihnen: "Eure Geschenke aus fernen Ländern haben mir gut gefallen, aber ich liebe den, der in der Ferne von der Heimat träumt und mit seinem Hochzeitsgeschenk die Poesie der Heimat eingefangen hat. Seid nicht traurig und bleibt willkommene Gäste in unserem Haus

 

Die schöne Kreske hatte sich entschieden und der junge Seemann wurde ihr Ehemann und ihrem Vater zur zuverlässigen Hilfe und zum Sohn.

Dort aber, wo Sie alle noch lange in Frieden und einander in Liebe und Treue verbunden lebten, tragen die Frauen bis heute die dunkelblauen Gewänder mit dem schweren, silbernen Schmuck wie einst die schöne Tochter des alten Fischers.

 

Nordfriesische Skizzenbücher, Breklum 2004 

Ins Deutsch übertragen von Alexander und Eberhard Steinke